9. „Entwicklungspfad der Menschenrechte mit chinesischen Merkmalen“

URSPRUNG UND VERWENDUNG

Diese Phrase wurde insbesondere vom chinesischen Außenminister Wang Yi in einer Rede bei der Eröffnungszeremonie des ersten Süd-Süd-Menschenrechtsforums in Peking im Jahr 2017 verwendet, an dem Vertreter*innen aus mehr als 50 Ländern weltweit teilnahmen. Wang sagte, Chinas Erfahrung habe gezeigt, dass die Menschenrechte auf „mehr als eine Weise“ geschützt werden könnten. Er forderte die Länder auf, „ihre eigenen Modelle des Menschenrechtsschutzes“ zu finden, die „ihre nationalen Bedingungen und die Bedürfnisse“ berücksichtigten. Das kann nur als eine Revitalisierung des Geistes der Deklaration von Bangkok (siehe Einleitung) verstanden werden.

 

AUSWIRKUNGEN AUF DIE MENSCHENRECHTE

Diese Auffassung steht im Widerspruch zur Universalität und Unveräußerlichkeit der Menschenrechte. Sie suggeriert, dass die Rechte von Land zu Land unterschiedlich sind, während es bei den internationalen Menschenrechten darum geht, einen gemeinsamen Standard für alle zu schaffen.

Die Verbreitung der Formulierung „Entwicklungspfad der Menschenrechte mit chinesischen Merkmalen“ wurde zu einer Zeit entwickelt, als China sich einer Flut internationaler Kritik ausgesetzt sah. Darunter fielen das harte Vorgehen gegen Menschenrechtsanwält*innen und prominente Aktivist*innen, die willkürliche Inhaftierung von schätzungsweise mindestens einer Million Uiguren, Kasachen und anderen überwiegend muslimisch geprägten Individuen in Xinjiang sowie das Votum gegen eine Resolution des Menschenrechtsrates der VN, welches die systematischen und groben Menschenrechtsverletzungen in Myanmar insbesondere gegen die Rohingya im Rakhine-Staat, verurteilte.

Darüber hinaus hat die Regierung Chinas die Zensur- und Überwachungsmaßnahmen verstärkt und, noch besorgniserregender, Technologieunternehmen und Social-Media-Plattformen davon überzeugt, ihren Willen zu befolgen. Im Jahr 2020 enthüllte das Unternehmen für Onlinekonferenzen Zoom, dass es die Konten von Menschenrechtsaktivist*innen außerhalb Chinas auf Ersuchen der chinesischen Regierung gesperrt hat und deutete an, dass es alle weiteren Veranstaltungen blockieren würde, sollte die chinesische Regierung diese als „illegal“ einstufen.

All dies deutet auf einen „Entwicklungspfad der Menschenrechte mit chinesischen Merkmalen“, der mit Menschenrechtsverletzungen und -verstößen übersät ist.